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Norma Winstone / Will Bartlett: The Soundless Dark (Review)
Artist: | Norma Winstone / Will Bartlett |
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Album: | The Soundless Dark |
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Medium: | CD/Download | |
Stil: | Intimer Jazz |
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Label: | Jellymould Jazz/Soulfood | |
Spieldauer: | 44:22 | |
Erschienen: | 27.01.2023 | |
Website: | [Link] |
Philip Larkin meinte „er könne zwar eine Woche ohne Lyrik leben, aber keinen Tag ohne Jazz.“ („Die nüchterne Wahrheit der Lyrik - Philip Larkin“ von Harald Hartung, S. 2). Das wird dadurch bekräftigt, dass Larkin neben seinem Hauptberuf als Universitätsbibliothekar und seiner poetischen Passion, maximal anderthalb Stunden täglich erübrigte Larkin fürs Schreiben, über ein Jahrzehnt als Jazzkritiker für den Daily Telegraph tätig war. Einen Gutteil der Besprechungen veröffentlichte er in dem Sammelband „All What Jazz: a record diary 1961–1968“. Er scheint also prädestiniert dafür zu sein, Jazz-Musikern ins Auge zu fallen. Norma Winstone und Pianist Will Bartlett haben sich jetzt ein ganzes Album lang Larkins Gedichten gewidmet. Und erhalten gelegentlich einnehmende Unterstützung von Tony Kofi am Alt- und Sopran-Saxophon sowie Robin Ince als Vorleser.
Der Besetzung gelingen dabei anrührende und stimmungsvolle musikalische Stillleben, zu denen Norma Winstone Larkins Texte mit klarer, samtener Stimme interpretiert. Wortlose Vokalexperimente, für die Winstone ebenfalls bekannt ist, finden nur an ganz wenigen Stellen statt. Was der Konzentration auf den mittlerweile nicht mehr so wohlgelittenen* Dichter spürbar gut tut.
Der Titeltrack hält sich nicht genau an Larkins Vorgabe „Aubade“, sondern kürzt das Gedicht, stellt es in Teilen um, erhält aber ein funktionierendes Ganzes, in dem die Musik die Worte stützt und die freie Auslegung das Werk nicht verrät oder gar zerstört. Am Klavier drängt sich Bartlett nicht in den Vordergrund, sein weicher, behänder Anschlag stützt Winstones berückende Stimme und gönnt sich selbst nur wenige, traumverhangene und passende Verzierungen. Ähnlich verfährt Tony Kofi, dessen Saxophonspiel eindringliche Akzente setzt und besonders als Kommentar zu den von Ince sonor vorgetragenen Texten als stimulierendes musikalisches Pendant wirkt.
Da es sich bei Larkins Lyrics nicht um partytaugliche Extravaganzen handelt, ist der verhangene Jazz, zuweilen mit leichter Tendenz zu Slow Blues, eine perfekte Wahl. Passend dazu zeigt die vorzügliche Norma Winstone, wieviel Strahlkraft in einem betörend lasziven Gesang ohne Allüren liegen kann. Dass Winstone im September 82 Jahre alt wird, hört man ihrer Stimme keinen Moment an.
FAZIT: „The Soundless Dark“ macht seinem Titel alle Ehre. Philip Larkins eigenbrötlerische Gedichte, die im Zwielicht zwischen bärbeißigem Sarkasmus und verzweifelter Liebesmüh‘ existieren, werden von einer stimmlich und interpretatorisch exzellent aufgelegten Norma Winstone samt gleichberechtigten, stilbewussten Partnern kongenial umgesetzt. Schade nur, dass dem Album kein Textheft beiliegt.
* Die Laudatio der Dichterin Wendy Cope zu Larkins hundertstem Geburtstag begann mit den Worten: "Larkin war ein trauriger, unfreundlicher Mann mit inakzeptablen Ansichten", um versöhnlicher zu enden "Hundert Jahre nach seiner Geburt kann mich seine Dichtung immer noch zu Tränen rühren." Eher wegen der „inakzeptablen Ansichten“ als wegen der Qualität seiner Lyrik wurde Larkin aus den Leselisten britischer Universitäten gestrichen, um anderen Autoren und Autorinnen Platz zu machen, die zuvor marginalisiert, verdrängt oder verschwiegen wurden.
Kultur verändert sich und Literatur neu zu bewerten ist nahezu alltäglich, wenn dann noch zuvor bewusst versteckte Qualitäten geborgen werden, ist das eine feine Sache. Und doch haftet solchen Aktionen der Ruch an, nicht für mehr Diversität zu sorgen, sondern einen literarischen Katalog zu bereinigen, indem man die unbequemen, sperrigen oder gar anstößigen Literaturschöpfer hinaus expediert. Wie das vorliegende Album umd Copes Aussage zeigen, scheint Larkins Poesie auch heute noch Menschen – und nicht nur Jazz-Fans – zu bewegen, etwas zu bedeuten. Ein streitbarer Diskurs zu Larkins Texten würde sich also lohnen.
Doch der geht bei derartigen Streichungen leider immer weiter verloren. Dabei ist völlig egal, ob Philip Larkin als Mensch ein Miesepeter mit schrägen Ansichten (sehr wahrscheinlich) oder ein quietschfideler Wonneproppen (eher gar nicht) gewesen ist. It’s the song, not the singer that matters.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- The Soundless Dark
- Wild Oats
- First Sight
- Born Yesterday
- Reasons For Attendance
- An Arundel Tomb
- The Trees
- Days
- Deceptions
- For Sidney Bechet
- Gesang - Norma Winstone, Robin Ince
- Keys - Will Bartlett
- Sonstige - Tony Kofi (alto & soprano saxophone)
- The Soundless Dark (2023) - 12/15 Punkten
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